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News & Artikel

Zum Thema Prävention und Gesundheitsförderung

Auf einen Kaffee mit Frau Dr. Irene Renz

| Prävention/Gesundheitsförderung

In Fragen der grenzüberschreitenden Prävention und Gesundheitsförderung ist sie ohne Zweifel Ansprechpartnerin Nummer 1: Frau Dr. Irene Renz hat durch ihre Arbeit als Apothekerin den Einstieg in das Gesundheitswesen gefunden. Da sie das Berufsfeld Gesundheitsförderung und Prävention schon immer fasziniert hat, hat sie im Anschluss an ihre Doktorarbeit einen Master in Public Health absolviert. Heute leitet sie die Gesundheitsförderung Baselland und ist gleichzeitig Vorsitzende des Expertenausschusses Gesundheitsförderung und Prävention der deutsch-französisch-schweizerischen Oberrheinkonferenz. Im Interview haben wir uns mit Frau Dr. Renz darüber unterhalten, wie das Politikfeld Prävention und Gesundheitsförderung in der Schweiz aufgestellt ist und welche Themen sie besonders in der Oberrheinregion nach vorne bringen will.

Gesundheitspolitik ist ein hoch komplexes Politikfeld. Können Sie uns in ein paar Sätzen erläutern, wie der Bereich Gesundheitsförderung und Prävention in der Schweiz organisiert ist?

Grob zusammengefasst kann man sagen, dass Gesundheitsfragen in der Schweiz in der Regel bei den Kantonen angesiedelt sind. Eine Ausnahme bilden Fragen der Krankenversicherung, die auf Bundesebene geregelt werden. Ähnlich sieht es im Bereich Prävention und Gesundheitsförderung aus: Fast immer sind die Kantone Hauptakteure. Gewisse Themen im Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung werden aber auf Bundesebene bearbeitet. Dazu gehören zum Beispiel Sucht- und Alkoholprävention sowie Unfallverhütung, die in der Schweiz auch der Bund bearbeitet. Eine wichtige Rolle spielt außerdem die Nationale Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz, die Projekte finanziell fördert, zur Qualitätssicherung beiträgt und auch Agenda-Setting betreibt, also entscheidet, welche Themen auf die Tagesordnung gebracht werden.

Das ist also ein ganz anderer Ansatz als in Frankreich, wo viele Strategien von der nationalen Ebene aus koordiniert werden. Können Sie uns ganz praktisch an einem Beispiel schildern, wie ein Präventions- bzw. Gesundheitsförderungsprojekt umgesetzt wird?

Es gibt grundsätzlich immer zwei Möglichkeiten: Entweder entwickeln sich Projekte von der Basis aus oder die kantonale Ebene macht sich Gedanken über Aktivitäten und sucht Träger. Da besonders die Gemeinden den Menschen im Alltag nahe stehen, ist diese Ebene für Präventionsprojekte besonders günstig. Projekte richten sich zum Beispiel an Familien mit kleineren Kindern oder die ältere Bevölkerung. Der Kanton Basellandschaft hat aktuell ein interessantes Projekt, das „Kind und Raum“ heißt. Ziel ist es, bewegungsfreundliche Bewegungsräume für Kinder zu schaffen. Besonders wichtig finde ich auch das Projekt Vitalina, das in den Kantonen Basel-Landschaft und Basel-Stadt läuft. Kerngedanke ist es, fremdsprachige Eltern für Gesundheitsthemen zu sensibilisieren.

Das hört sich alles sehr spannend an. Gibt es denn Besonderheiten in der Gesundheitsförderung in der Schweiz, die sich von der Situation in Deutschland oder Frankreich unterscheiden?

Die Bereiche Gesundheitsförderung und Prävention haben es in der Schweiz politisch nicht immer leicht. Es gibt aktuell starke Kräfte, die dagegen arbeiten. Das ist eine ganz andere politische Kultur als beispielsweise in Frankreich. In der Schweiz wird der Gedanke der Eigenverantwortung hochgehalten. Danach ist erstmal jeder für sich selbst verantwortlich und der Staat muss nicht unbedingt in die persönlichen Angelegenheiten des Einzelnen eingreifen. In Frankreich gibt es da eine viel größere Akzeptanz für staatliche Leistungen und dafür, dass der Staat aktiv ist. Diese Einstellung der Eigenverantwortung führt dazu, dass es in der Schweiz viel schwieriger ist, Strukturen in den Bereichen zu entwickeln. Ein Misserfolg war zum Beispiel der abgelehnte Gesetzesvorschlag zum Verbot der Tabakwerbung. In Frankreich gibt es viel strengere Regeln zur Tabakwerbung, die ohne größere Mühe durchgesetzt werden. Selbst eine mildere Variante des Gesetzesvorschlags ist in der Schweiz nicht durchgekommen.

Das ist ja interessant, wie sich politische Kultur auch in der Gesundheitspolitik ausdrückt. Was sind denn aktuell Trends in der Gesundheitsförderungs- und Präventionspolitik in der Schweiz?

Thematische Trends in der Schweiz sind klassische Themen wie Ernährung und Bewegung. Ein starker Fokus liegt außerdem auf der Förderung der psychischen Gesundheit. Dabei geht es nicht nur darum, dann erst anzusetzen, wenn psychische Krankheiten bereits entstanden sind, sondern schon von Beginn an die psychische Stärke und das Wohlbefinden zu stärken. Zentral ist dabei der Begriff der Resilienz. Es gibt viele Programme zum Umgang mit Stress. Ein weiterer großer Trend ist außerdem, dass der Fokus sich in der Gesundheitsförderung immer weiter nach vorne verschiebt. Früher ist man davon ausgegangen, dass man im Jugendalter anfangen sollte. Heutzutage weiß man, dass Programme schon in der frühen Kindheit ansetzen sollten.

Welche Ziele möchten Sie in den Bereichen Gesundheitsförderung und Prävention umgesetzt wissen? Und welche Themen sind Ihnen persönlich ein Anliegen?

Ein großes Thema ist die Frage, wie man Menschen erreicht, denen es nicht so gut geht. Ich denke dabei besonders an Menschen mit Migrationshintergrund oder in prekären finanziellen oder privaten Situationen. Die Personen in solchen Lebenslagen interessieren sich von sich aus oft weniger für die Bereiche Prävention und Gesundheitsförderung, da sie andere Sorgen haben. Ich würde mir wünschen, dass wir in dem Bereich einen Schritt nach vorne machen und Ansätze finden, wie sich diese Gruppen an den Maßnahmen beteiligen können. In den Empfehlungen für Gesundheitsförderung und Prävention, die wir im Expertenausschuss der Oberrheinkonferenz erarbeitet haben, hat das Thema Chancengerechtigkeit ein starkes Gewicht. Projekte, die sich an solche Personengruppen richten, sind oftmals schwieriger umzusetzen, da sie oft auf einer strukturellen Ebene ansetzen. Es kann zum Beispiel an der Quartiersaufwertung gearbeitet werden.

Da ist also viel in Bewegung im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention und es gibt noch viel Potenzial, wie der Empfehlungskatalog des Expertenausschusses zeigt. Wieso ist grenzüberschreitende Zusammenarbeit besonders in diesen Bereichen sinnvoll?

Im Expertenausschuss haben wir die Strategien der drei Länder verglichen und herausgefunden, dass die Themen, die bearbeitet werden, grundsätzlich ähnlich sind. Was sich unterscheidet, ist vor allem die Herangehensweise und die politische Kultur. Wir können daher immer wieder viel voneinander lernen. Beeindruckend finde ich, wieviel in Frankreich für die Gesundheit im Alter getan wird. Auch finde ich es spannend, wieviel freiwilliges Engagement es gibt. Ein Austausch kann dabei nur einen Mehrwert bringen!

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