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Zum Thema Pflege
Was sind die Herausforderungen am Oberrhein bei der Pflege älterer Menschen? – Ein Gespräch mit Lydia Kassa
Das trinationale Kompetenzzentrum im Gesundheitsbereich TRISAN hat sich ausgiebig mit dem Thema der Pflege beschäftigt und sich mehreren Aktivitäten in diesem Bereich gewidmet. Alle Ergebnisse wurden in verschiedenen Modulen festgehalten, die gemeinsam eine Studie zum Thema Pflege ergeben. Wir möchten von Frau Kassa erfahren, warum das Thema der Pflege grenzüberschreitend besonders wichtig ist, wie sie bei der Studie vorgegangen ist und welche Handlungsfelder identifiziert wurden, um sich den Herausforderungen am Oberrhein bei der Pflege zu stellen.
Frau Kassa, Sie arbeiten seit 2017 für das Projekt Trisan als Projektmanagerin für Studien und sind insbesondere mit der Erstellung dieser Studie beauftragt. Vor welchen gemeinsamen Herausforderungen stehen Deutschland, Frankreich und die Schweiz in Zeiten des demographischen Wandels?
In der Tat sind Deutschland, Frankreich und die Schweiz stark vom demographischen Wandel betroffen, der sich insbesondere durch drei Faktoren erklären lässt: die steigende Lebenserwartung, die sinkende Geburtenrate und der Baby-Boom der sechziger und siebziger Jahre. Die Bevölkerung wird immer älter, zum Beispiel steigt die Anzahl der über 65-Jährigen, die heute in allen drei Ländern ca. ein Fünftel der Bevölkerung ausmacht, in Deutschland auf ein Drittel im Jahr 2035, in der Schweiz auf ein Drittel im Jahr 2060 und in Frankreich auf ein Viertel im Jahr 2040. Diese Entwicklung erklärt sich auch durch die aktuellen Geburtenraten (2017) in den drei Ländern: 1,5 in Deutschland und der Schweiz und 1,9 in Frankreich.
Welche Auswirkungen hat der demographische Wandel auf die Pflege und welche Bedeutung kommt dem Thema der Gesundheitsförderung und der Prävention zu?
Aufgrund der Alterung der Bevölkerung steigt auch die Anzahl der Pflegebedürftigen, die dann länger pflegebedürftig sind. Hierfür fehlen die finanziellen und personellen Ressourcen insbesondere in der Langzeitpflege. In allen drei Ländern ist Fachkräftemangel und in dem Fall ein Mangel an Pflegepersonal zu verzeichnen. Damit der Zeitpunkt der Pflegebedürftigkeit soweit wie möglich nach hinten verlagert wird, sind Prävention und Gesundheitsförderung wichtig. Sie umfassen alle Lebensbereiche und sind Grundvoraussetzungen für ein langes gesundes Leben.
Warum wurde das Thema in das Arbeitsprogramm Trisan aufgenommen und wodurch entsteht der Mehrwert dieser Kooperation?
Auf Anfrage der Arbeitsgruppe Gesundheitspolitik der deutsch-französisch-schweizerischen Oberrheinkonferenz auf regionaler Ebene widmete sich TRISAN dem Thema der Pflege. Die Arbeitsgruppe koordiniert verschiedene Expertenausschüsse, darunter den Expertenausschuss „Gesundheitsförderung und Prävention“. Dieser hat in seinem Mandat festgelegt, gemeinsam mit TRISAN an der Thematik der Prävention und des Guten Alterns zu arbeiten. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei diesen Themen bringt einen Mehrwert mit sich, da alle drei Länder sich den gleichen Herausforderungen wie dem demographischen Wandel, dem Fachkräftemangel und steigenden Gesundheitskosten stellen müssen. Zudem gibt es immer mehr grenzüberschreitende Lebenswege. Anstatt nach neuen Lösungen zu suchen, scheint es sinnvoll, zunächst über den eigenen Tellerrand hinaus über die Grenze zu schauen und die Funktionsweise und Ansätze der Nachbarländer zu entdecken.
Sie arbeiten seit September 2017 an einer Studie zum Thema Pflege bei Trisan. Wie wurde bei der Bedarfsanalyse innerhalb der Studie vorgegangen?
Es wurden lokale Akteure, die im Bereich der Pflege auf Verwaltungsebene, bei Beratungsstellen, Vereinen und Pflegediensten tätig sind, identifiziert und insgesamt 50 Interviews durchgeführt. Ziel war es, aktuelle Schwerpunkte sowie grenzüberschreitende Bedarfe und Potentiale ausfindig zu machen.
Können Sie Beispiele für Schwerpunktthemen in allen drei Ländern nennen – stehen sie beim Thema Pflege vor gemeinsamen Herausforderungen?
Ja, in allen drei Ländern kann man ähnliche Entwicklungen im Pflegebereich am Oberrhein feststellen. Einer der Schwerpunkte ist die Pflege zu Hause. Die Mehrheit der älteren Menschen wünscht sich, so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden zu bleiben. Hier stellen die Akteure der drei Länder Überlegungen an, wie ambulante Pflege- und Tagesstrukturen weiterentwickelt sowie Ehrenamtliche und pflegende Angehörige begleitet werden können. Ein weiterer Schwerpunkt sind die alternativen und innovativen Wohnformen wie die Entwicklung von Senioren-WGs verbunden mit der Frage, wie hier die Digitalisierung intelligent einsetzt werden kann, beispielsweise durch Sturzerkennungsmatten oder Hausnotruf.
Wo bestehen grenzüberschreitende Bedarfe und Hürden?
Es besteht Bedarf an Austausch und an Kenntniserwerb über bestehende Projekte, Akteure und Funktionsweisen der Systeme der Nachbarländer. Die größten Hürden stellen mangelnde Sprachkenntnisse und die unterschiedlichen Gesetzeslagen in den Pflegesystemen dar.
Welche Handlungsfelder wurden identifiziert - was sind die Inhalte der Pflegestudie?
Um diesen Bedarfen entgegenzukommen, wurden verschiedene Module erstellt: Erstens wurden Themenhefte zum Thema der Pflegesysteme in Deutschland, Frankreich und der Schweiz veröffentlicht, die online auf der Webseite von Trisan zur Verfügung stehen. Zweitens wurden verschiedene grenzüberschreitende Projekte erfasst, wie zum Beispiel das Interreg-Projekt „Senior Activ‘ - Gut Altern in der Großregion”, das für die Senioren und älteren gebrechlichen Menschen in der Großregion ein gutes Altern im eigenen Heim fördern will. Drittens wurden bzw. werden verschiedene Veranstaltungen organisiert. Im Oktober 2018 fand in Karlsruhe ein strategischer Workshop zum Thema der Pflege zu Hause statt, wodurch ein Austausch zwischen den Akteuren ermöglicht wurde. Am 28.03.2019 wird eine trinationale Veranstaltung zum Thema „Gesundes Altern am Oberrhein“ in Basel organisiert, bei der insbesondere der Austausch über grenzüberschreitende Projekte in diesem Bereich im Mittelpunkt steht. Außerdem findet am 14.05.2019 in Straßburg ein gemeinsames Seminar mit der Infobest Kehl/Straßburg zum Thema der Mitnahmerechte von Pflegeleistungen statt. Die Kernfrage des Seminars lautet: In welchem Land haben Personen mit grenzüberschreitenden Lebenswegen Anspruch auf Pflegeleistungen? Schließlich wurde eine Übersicht zu den Strukturen der Prävention und Gesundheitsförderung gemeinsam mit dem Expertenausschuss „Gesundheitsförderung und Prävention“ der deutsch-französisch-schweizerischen Oberrheinkonferenz zusammengestellt.
Weitere Informationen
- Studie „Von der Prävention bis zur Pflege grenzüberschreitend denken"
- Themenheft „Die Pflege älterer Personen in Deutschland, Frankreich und der Schweiz"
- Rückblick auf die Veranstaltung „Die Pflege älterer Personen grenzüberschreitend denken"
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