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Zum Thema grenzüberschreitende Versorgung

Die Corona-Krise fördert den Wunsch nach mehr grenzüberschreitender Zusammenarbeit

„Die letzten Monate haben deutlich gemacht, was wir im Gesundheitswesen an Good Practices haben und wo noch Lücken in unserer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bestehen“ – mit diesen Worten eröffnete Rémy With, Präsident des Departementrats Haut-Rhin, den Online-Kongress „Gesundheit über Grenzen hinweg: Die Corona-Krise zwingt uns zu mehr Zusammenarbeit“. Dieser fand auf Initiative des Departementrats Haut-Rhin am 19. Oktober 2020 statt und versammelte etwa hundert französische, schweizerische und deutsche Politiker, Verwaltungsangehörige sowie Gesundheitsexperten.

An zwei digitalen runden Tischen teilten Politikerinnen und Politiker sowie Gesundheitsakteure aus der Oberrheinregion ihre Erfahrungen zur „ersten Welle“ der Coronavirus-Pandemie im Frühjahr dieses Jahres und diskutierten zukünftige Handlungsfelder und Kooperationspotenziale. Um die Patientinnen und Patienten gemeinsam vor einem Virus, das keine Grenzen kennt, zu schützen und medizinisch zu versorgen, brauche es „einen Abgleich unserer Informationen, so nah wie möglich an den Lebenswelten unserer Bürger“, so Frédéric Bierry, Präsident des Departementrats Bas-Rhin.
 

Der Oberrhein als europäische Gesundheitsregion

„Die trinationale Region als einzigartige Region im Bereich Pflege und Gesundheit: Diese müssen und werden wir aufbauen“, bekräftigte Ministerin Brigitte Klinkert während des ersten runden Tisches. Sie ist erste Vizepräsidentin des Departementrats Haut-Rhin und zuständig für die Euroregion Elsass, Internationales sowie Zweisprachigkeit. Unter Moderation von Dr. Manuel Friesecke, Geschäftsführer der Regio Basiliensis, zeigten die politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger den Willen, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und waren sich der „noch nicht ausgeschöpften Möglichkeiten“ (F. Bierry) und des „Rückstands auf diesem Kompetenzfeld“ (B. Klinkert) bewusst.

Rémy With; Frédéric Bierry; Brigitte Klinkert; Dr. André Baumann, Bevollmächtigter des Landes Baden-Württemberg beim Bund; Kathrin Schweizer, Regierungsrätin des Kantons Basel-Land; Claudine Ganter, Regionalrätin der Region Grand Est; Josha Frey, Präsident des Oberrheinrats: Alle sehen die Notwendigkeit, die bestehenden Bande in der Region noch mehr zu stärken. Gerade in einer Region wie dem Oberrhein müsse die Gesundheitsversorgung dem täglichen Bedarf der Patienten auf jeder Seite des Rheins (Deutschland, Frankreich, Schweiz) entsprechen. Gute Praktiken und Erfahrungen aus anderen Grenzräumen (Luxemburg, Region Bourgogne-Franche-Comté etc.) könnten dafür als Vorbild dienen.

Die gegenseitige medizinische Hilfe während der „ersten Welle“ der Pandemie war ein schönes Beispiel für diese Verbundenheit: Der Transfer elsässischer Patienten in die Nachbarländer hat nicht nur Leben gerettet, sondern auch eine Reihe von Hindernissen für eine bessere künftige Zusammenarbeit beseitigt. Die grenzüberschreitende Gesundheitskooperation könnte in Zukunft beispielsweise von einer Koordinierung des Versorgungsangebots, ermöglicht durch eine Spezialisierung der Einrichtungen, einer gemeinsamen Nutzung medizinischer Ausrüstung sowie einem Austausch von Personal profitieren. Das trinationale Kompetenzzentrum TRISAN wurde in diesem Zusammenhang als „wichtige und erfolgreiche trinationale Plattform“ (K. Schweizer) genannt.
 

Eine Plattform für den Austausch zwischen Gesundheitsakteuren

Während des zweiten runden Tisches zeigten die geladenen Gesundheitsakteure konkrete Handlungsfelder der Zusammenarbeit auf. Moderiert wurde der Austausch von Peter Zeisberger, Präsident der Abteilung Wirtschaft und Infrastruktur beim Regierungspräsidium Karlsruhe und Vorsitzender der Arbeitsgruppe Gesundheitspolitik der deutsch-französisch-schweizerischen Oberrheinkonferenz.

Es diskutierten Carole Crétin, Direktorin für Strategie bei der regionalen Gesundheitsbehörde ARS Grand Est; Christine Engelhardt, Ministerialdirigentin im Ministerium für Soziales und Integration von Baden-Württemberg; Prof. Dr. Jean Sibilia, Dekan der medizinischen Fakultät Straßburg; Prof. Dr. Hartmut Bürkle, medizinischer Leiter am Uniklinikum Freiburg; Ljubisa Stojanovic, Leiter der Abteilung Finanzen und Dienste, Bereich Gesundheitsversorgung des Kantons Basel-Stadt; Christian Fischer, Direktor für Autonomie im Departementrat Haut-Rhin und Roland Krick, Leiter des Referats Pflegeberuferefom im Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Rheinland-Pfalz.

Die Experten, die an dieser zweiten Diskussionsrunde teilnahmen, hoben unter anderem die Notwendigkeit hervor, Plattformen für die Zusammenlegung und/oder den Austausch von Ressourcen zu entwickeln, die Hindernisse für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit abzubauen, etwa durch die Vereinfachung der Verwaltungsverfahren, und die grenzüberschreitende Notfallversorgung zu verbessern. Um dies zu erreichen, wurde eine Fülle von Ideen aufgeworfen, darunter die folgenden:

  • Die Schaffung eines europäischen Depots für Medizinprodukte (z.B. Material, Medikamente);  
  • Die Vereinfachung administrativer Vorgänge beiderseits des Rheins (traurigerweise während der Rückführung von Patienten, die im Frühjahr verstorben sind, hervorgehoben, aber auch allgemeiner durch die Schwierigkeit veranschaulicht, eine Kostenerstattung für Behandlungen zu erhalten)
  • Die Einführung einer medizinischen Notfallkooperation zwischen den drei Ländern mit soliden Informationsstrukturen und gemeinsame Koordinatoren vor Ort;
  • Die Einrichtung eines gemeinsamen Pools von Pflegepersonal, eines Studiengangs für Fachkräfte und einer gemeinsamen Ausbildung oder sogar eines „Erasmus+“ (Aufnahme, Unterbringung, Unterstützung), um die Studenten zu ermutigen, im Nachbarland zu studieren;
  • Die Entwicklung eines wissenschaftlichen Krisenstabs (Austausch von Forschungsergebnissen zu Pflege und Behandlung bestimmter Pathologien)
     

Wie geht es weiter?

Die Schlussfolgerungen des Kongresses werden die Grundlage für das „elsässische Schema für grenzüberschreitende Zusammenarbeit“ im Bereich der Gesundheit bilden. Die Euroregion Elsass, die am 1. Januar 2021 gegründet werden wird, wird dieses Schema anschließend mit Partnern aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und der Nordwest-Schweiz umsetzen.

Das „elsässische Schema für grenzüberschreitende Zusammenarbeit“, das als ein gemeinsamer Ansatz aller Akteure am Oberrhein zu verstehen ist, soll die schon bestehenden Tools für die Umsetzung der genannten Ideen komplettieren. Dazu zählen der Ausschuss für grenzüberschreitende Zusammenarbeit des Aachener Vertrags, bestimmte Paragraphen des Aachener Vertrags, deren Anwendbarkeit juristisch zu prüfen ist, sowie die Strategie 2030 der trinationalen Oberrheinregion.

2021 werden zudem verschiedene Workshops stattfinden, die die Grundlagen dieser verstärkten Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich konkretisieren und präzisieren sollen.

Die Videoaufzeichnung der Veranstaltung ist hier abrufbar
 

Die Euroregion Elsass

Sie entsteht zum 1. Januar 2021 aus der Fusion der beiden Departementräte des Haut- und des Bas-Rhin, bleibt aber nach wie vor Teil der Région Grand Est. Die Euroregion behält alle üblichen Kompetenzen des Departements, erhält aber auch einige spezielle Zuständigkeiten. Dies betrifft vor allem den Bereich der Straßeninfrastruktur und die Förderung der deutschen Sprache sowie der elsässischen Dialekte.

Das elsässische Gesetz (Loi Alsace) vom 2. August 2019 verleiht ihr zudem eine Befugnis und eine Koordinierungspflicht im Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere für gesundheitliche und medizinisch-soziale Fragen.

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