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Zur Physiotherapieausbildung in den Ortenaukreis

In Frankreich müssen angehende Physiotherapeut*innen ein hartes Auswahlverfahren bestehen, bevor sie das Studium der Physiotherapie aufnehmen können. Es handelt sich dabei um die PACES – das erste Jahr im Studium für Gesundheitsberufe, das angehende Physiotherapeut*innen gemeinsam mit zukünftigen Medizinstudent*innen, Geburtshelfer*innen und Pharmazeut*innen durchlaufen. In diesem ersten Jahr wird so stark ausgesiebt, dass zum Teil nur ein Zehntel aller Kandidat*innen das Wunschstudium fortsetzen kann. Um diesem starken Wettbewerb zu entgehen, beginnen viele junge Franzosen ihre Physiotherapieausbildung im Ausland. Wir haben uns mit Julia und Jeanne aus der Region Rhône-Alpes über ihre Motivation unterhalten, zur Physiotherapieausbildung in die Ortenau zu ziehen.

Wann wusstet ihr, dass ihr Physiotherapeutinnen werden möchtet?

Julia: Ich habe mich schon immer für medizinische Berufe interessiert. Mit 15 habe ich dann ein Berufspraktikum in einer Physiotherapiepraxis absolviert und wusste direkt: Das ist es! Der Beruf ist sehr abwechslungsreich und mir gefällt es, dass man konkret Probleme lösen kann.

Jeanne: Bei mir ist die Entscheidung später gefallen. Ich habe in der Oberstufe einen naturwissenschaftlichen Schwerpunkt gewählt und habe dann in Berufsbeschreibungen recherchiert, welche Arbeit mir gefallen könnte.

Wieso habt ihr euch entschieden eine Physiotherapieausbildung in Deutschland zu absolvieren?

Jeanne: Von vielen Bekannten habe ich gehört, dass das erste Jahr im Medizinstudium extrem hart ist. Ich wusste daher früh, dass ich nicht die PACES durchlaufen möchte. Gemeinsam mit meiner Mutter haben wir uns dann erkundigt, welche Möglichkeiten es gibt, Physiotherapie in einem anderen Land zu studieren.

Julia: Ich wollte anfangs lieber nach Belgien gehen. Allerdings nehmen sie dort nur etwa 20% ausländische Studierende auf und es wird auch noch über ein Losverfahren selektiert. Das heißt, man kann sich nicht sicher sein, aufgenommen zu werden. In Deutschland muss man je nach Schule zusätzlich zum Abitur ein Zertifikat über Sprachkenntnisse auf dem Niveau B2 oder C1 vorweisen. Das ist für viele Franzosen nicht einfach, aber machbar (sie lacht)!

Jeanne: Kehl ist auch interessant, weil es nicht so weit von Frankreich entfernt ist. Mit dem Zug brauche ich ab Straßburg nur etwa drei Stunden nach Hause.

Julia: Für mich ist es auch spannend, neben dem Studium eine neue Sprache zu erlernen.

Wie gut kanntet ihr Deutschland vorher?

Julia: Wir lernen beide seit der 6ème, das heißt seit wir 11 sind, Deutsch. Ich habe schon zwei Mal an einem Schüleraustausch teilgenommen und kenne daher die Umgebung von Stuttgart schon ganz gut. Mit meinem deutschen Austauschpartner bin ich auch in die Schule gegangen. Das Schulsystem dort hat mir damals schon sehr gut gefallen.

Jeanne: Bei mir ist es ähnlich. Ich war schon drei Mal auf einem Schüleraustausch in Backnang und kenne Deutschland daher schon ein bisschen. Da es besonders in Kehl viele Grenzgänger gibt, habe ich mich von Anfang an wohl gefühlt. Es hilft, wenn man sich schon in der anderen Sprache ein wenig zurecht findet. Ich bin froh, dass ich, was die deutsche Sprache angeht, nicht direkt bei null anfangen musste. Viele Franzosen gehen auch nach Spanien, um eine Physiotherapieausbildung zu beginnen, da die Zugangsvoraussetzungen für das Physiotherapiestudium dort relativ gering sind. Für mich wäre das aber nicht infrage gekommen, weil ich noch kein Spanisch in der Schule gelernt habe.

Was gibt es für Unterschiede in der Physiotherapie-Ausbildung in Deutschland und Frankreich?

Julia: Im Grunde genommen weiß ich noch nicht so viel darüber, weil der Unterricht noch nicht angefangen hat. Man hat mir aber gesagt, dass der Unterricht in Deutschland viel praxisorientierter ist als in Frankreich.

Jeanne: Beim Tag der offenen Tür der Physiotherapieschule im Ortenaukreis haben wir auch an einem Kurs teilgenommen. Zuerst gab es eine kleine theoretische Einheit, direkt danach konnten wir praktisch anwenden, was wir in der Theorie gelernt haben. Das ist möglich, weil die Studierenden alle an Massagetischen sitzen. Wenn etwas Theoretisches durchgenommen wird, haben alle den Tisch als Schreibunterlage benutzt, direkt danach konnten wir eine praktische Übung auf einem Massagetisch durchführen.

Julia: In Frankreich läuft es im Physiotherapiestudium in den ersten Jahren allerdings anders: Es gibt riesige Vorlesungsräume, in denen hunderte Studierende sitzen und einem Dozenten zuhören und mitschreiben.

Wie stellt ihr euch denn euer Studentenleben in Deutschland vor?

Julia: Wenn es klappt, möchte ich gerne in Deutschland wohnen, um mein Deutsch zu verbessern und so nah wie möglich an der Schule zu wohnen. Ansonsten wäre es nicht schlecht, in Straßburg zu wohnen – das Studentenleben dort soll nicht schlecht sein.

Jeanne: Für mich ist es auf jeden Fall wichtig, auch Praktika in Frankreich zu absolvieren, da ich später gerne wieder in Frankreich leben und arbeiten möchte.

Julia: Ich freue mich schon total, dass der Deutschkurs bald fertig ist und das Studium beginnt.

Vielen Dank, dass ihr euch Zeit für dieses Interview genommen habt. Wir wünschen euch viel Erfolg für euer Studium und den weiteren Lebensweg!

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