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Wieso nicht einmal Sport aufs Rezept setzen?

Von einem Arztbesuch versprechen sich die meisten Patientinnen und Patienten Eines: Ein rosafarbenes Stück Papier, das in der nächsten Apotheke gegen ein Medikament eingelöst werden kann. Die Idee hat sich in unserer Kultur so verankert. Der Gedanke dahinter: Für jede Erkrankung gibt es ein Gegenmittel, mit der die Beschwerden auskuriert werden können. Wie wäre es jedoch, nicht erst dann anzusetzen, wenn Krankheiten bereits entstanden sind, sondern den Gesundheitserhalt langfristig zu fördern? Diese Herangehensweise wird mittlerweile auch in einigen europäischen Ländern vom Gesetzgeber unterstützt. Es kann daher neuerdings vorkommen, dass der ein oder andere Patient nach dem Arztbesuch ein Rezept in den Händen hält, das zur Bewegung animiert: Statt täglich Pillen zu schlucken, soll der wöchentliche Sportkurs besucht werden. Ein vielversprechender Ansatz, zumal man heutzutage weiß, dass extremer Bewegungsmangel ein Risikofaktor für ganz unterschiedliche Krankheiten darstellt. Darunter: Diabetes Typ 2, Depressionen, ischämische Herz- sowie Muskel-Skelett- und Krebs-Erkrankungen usw.. Schon eine maßvolle Aktivität von 20 Minuten am Tag kann Abhilfe schaffen. Wie Deutschland und Frankreich Prävention auf die Tagesordnung bringen.

„Sport sur ordonnance“ speziell für Menschen mit Langzeiterkrankungen

Unter dem Schlagwort „Sport sur ordonnance“ ist in Frankreich zum 01. März 2017 ein Gesetz in Kraft getreten, das es Ärzten ermöglicht, Patienten mit einer chronischen Erkrankung sportliche Aktivitäten auf Rezept zu verschreiben. Damit richtet sich das Gesetz an die rund 10 bis 11 Millionen Franzosen, die an einer der 30 Krankheitsbilder aus dem Katalog der chronischen Erkrankungen leiden. In der Praxis sieht das dann folgendermaßen aus. Angenommen ein Patient mit einer Langzeiterkrankung wie Diabetes begibt sich in eine französische Arztpraxis. Nach dem gewöhnlichen Check-up und Patientengespräch kann der beratende Arzt nicht nur dem Patienten empfehlen, Sport zu treiben, sondern eine moderate und regelmäßige sportliche Betätigung auch aufs Rezept setzen. Dass diese kleine Nuance zwischen der Empfehlung und Verordnung einen großen Unterschied macht, weiß der Allgemeinmediziner Dr. Pierre Trylesky aus Straßburg: „Wenn ich ein paar gute Ratschläge gebe, hören die meisten Patienten fast gar nicht zu. Sobald ich die Bewegung dann verschreibe, ändert das alles. Die Patienten beginnen aktiv zu werden und sehen den Sport als Teil der Behandlung an.“ Ein Schwachpunkt, der bleibt: In vielen Regionen können sich die Patienten den Sportkurs nicht von der Krankenkasse zurückerstatten lassen.

Anders sieht die Situation in Straßburg aus, die 2012 als erste Stadt das Konzept „Sport auf Rezept“ aufgegriffen hat. Beratung und Sportkurse werden seitdem gezielt gefördert. Mit einem Rezept in der Hand kann der Patient mit einem chronischen Leiden in Kontakt mit der Stabstelle Prävention und Gesundheit der Stadtverwaltung treten. Diese beraten den Bürger schließlich über die Angebote der Stadt, die speziell auf Patienten mit Langzeiterkrankungen ausgerichtet sind. Dazu zählen: sportliche Aktivitäten, die von einem Sporterzieher der Stadt oder einer Partnerorganisation begleitet werden oder auch die kostenlose Leihgabe eines vél hop-Fahrrads, mit dem sich die Patienten ganz autonom fortbewegen können.

Das Konzept „Sport auf Rezept“ für Jedermann und Jedefrau

Auch in Deutschland hat man das Potenzial der geförderten Bewegungsangebote erkannt: Nachdem einzelne Bundesländer wie Nordrheinwestfalen bereits seit 2011 das grüne Rezept auf Bewegung eingeführt haben, kann die sportliche Empfehlung mit dem 2015 verabschiedeten Präventionsgesetz nun auch bundesweit ausgestellt werden. Patienten können unter den Sportangeboten, die mit dem Qualitätssiegel „SPORT PRO GESUNDHEIT“ des Deutschen Olympischen Sportbundes ausgezeichnet wurden, wählen. Damit richtet sich die Sportempfehlung nicht unbedingt an Personen mit Langzeiterkrankungen, sondern im Prinzip an jeden Menschen – ob gesund (Primärprävention) oder bereits erkrankt (Sekundär- oder Tertiärprävention). Schwerpunkte der Bewegungsangebote sind Herz-Kreislauf, Muskel- und Skellettsystem, Entspannung/Stressbewältigung und Koordination/motorische Förderung. Neben den Krankenkassen bieten auch physiotherapeutische Praxen, Fitnessstudios und Träger wie Volkshochschulen zertifizierte Kurse an. Die Krankenkassen beteiligen sich zu maximal 80 Prozent an den Kosten. Über die Rückerstattungsmodalitäten geben die Krankenkassen Auskunft.

Die Rechnung der geförderten Sportangebote ist einfach: Rechtzeitig in Gesundheitsförderung zu investieren, kostet die Krankenkasse weniger als die Folgekosten der Trägheit auszukurieren. Und auch wenn ein Mensch bereits erkrankt ist, kann eine maßvolle sportliche Aktivität eine Verschlimmerung oder Komplikation verhindern und so zur Lebensqualität und zum Wohlbefinden des Patienten beitragen.

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