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Wie wird man Arzt in...? Ein Kurzüberblick über die Bildungsgänge in Deutschland, Frankreich und der Schweiz

Der Mangel an Pflegepersonal ist zu einem zentralen Thema in der öffentlichen Debatte in der Gesundheitspolitik geworden. Der Arztmangel wird über die staatlichen Grenzen hinaus beklagt. Liegt der Grund dafür beim Medizinstudium? Wie funktioniert dieses in den drei Ländern entlang des Oberrheins?
 

In der Schweiz

Zugangsvoraussetzung ist bestandene Matura. Die zukünftigen Studierenden schreiben sich im Februar vor Studienbeginn auf dem Internetportal „swissuniversities.ch” ein. Jede/r Studierende wird persönlich über die folgenden Schritte informiert. Ist die Anzahl der Bewerber/innen größer als die Anzahl der Studienplätze wird über ein Numerus Clausus und einen medizinischen Eignungstest ausgewählt. Das Studium erfolgt in Französisch (Freiburg, Genf und Lausanne) oder Deutsch (Basel, Bern, Zürich). Freiburg und Lausanne bieten kein Komplettstudium an, sondern erlauben maximal ein Bachelorstudium.

Das Studium ist in drei Stufen aufgeteilt:

  • Das Bachelor-Studium über 3 Jahre: Grundlagenstudium und deren Applikation in der Medizin sowie die klinischen Grundlagen.
     
  • Das Master-Studium über 3 Jahre: das eigentliche klinische Studium. Es besteht aus Block-Studium, Unterricht am Patientenbett in Kleingruppen sowie Praktika im Krankenhaus oder in einer Praxis. Eine wissenschaftliche Masterarbeit schließt das Masterstudium ab. Die Studenten stellen sich anschließend der eidgenössischen Prüfung für Humanmedizin.
     
  • Die Studierenden beginnen dann die Fachausbildung (Allgemeinmedizin gehört zu den Fachausbildungen) an einem Schweizerischen Institut für ärztliche Weiterund Fortbildung über 5 bis 10 Jahre. Während dieser Ausbildungszeit arbeiten die Studierenden in den Krankenhäusern oder Arztpraxen und besuchen fachspezifische Kurse am Institut. Der Doktortitel wird nach einer einjährigen wissenschaftlichen Aktivität durch eine Doktorarbeit erlangt.
     

In Deutschland

Die Zugangsberechtigung ist in der Regel das Abitur, kann aber in Ausnahmefällen auch eine berufsspezifische Ausbildung in einem Heilberuf nach einer mittleren Reife sein. Der/Die zukünftige Studierende muss seinen Antrag über das Hochschulportal „hochschulstart.de” stellen. Er gibt 6 Wunsch-Unis von den 37 bundesweit möglichen Universitäten an. 20% der Stellen werden über Vorabquoten vergeben (z.B. an Ausländer, Gesundheitsfachkräfte usw.). 20 bis 30% werden länderspezifisch durch die Zentralvergabestelle für Studienplätze nach Abschlussnote im Abitur vergeben (im Regelfall, ein Schnitt von 1,1 oder 1,2 = Numerus Clausus).

Der „Medizinertest”, der nicht-schulische Fähigkeiten testet, wird der Abiturnote angerechnet und kann den Schnitt um 0,8 Punkte heben. 20% werden über Wartezeit vergeben (im Regelfall muss der/die Student/in 7 Jahre auf einen Studienplatz warten, darf aber während dieser Zeit kein anderes Studium aufnehmen). 60% der Stellen werden von den Universitäten über eigene Auswahlverfahren vergeben. Ab dem Sommersemester 2020 soll die Wartezeitquote abgeschafft werden und eine 10%-ige Eignungsquote eingeführt werden. Alternativ können 250 Studienanwärter/innen auch Medizin im Rahmen der Bundeswehr studieren. Der/Die Bundeswehrstudent/in erhält ein festes Gehalt und verpflichtet sich für 17 Jahre.

Die Mindeststudiendauer ist in Deutschland mit 6 Jahren und 3 Monaten angegeben.

  • Das Grundstudium geht über 4 Semester, beinhaltet das Grundlagenstudium, einen Erste-Hilfe-Kurs und ein 3-monatiges Krankenpflegepraktikum und führt zum Physikum.
     
  • Das Hauptstudium geht vom 5. bis 10. Semester und beinhaltet den klinischen Teil des Studiums sowie 4 Monate Famulatur (Praktikum im Krankenhaus oder in einer Arztpraxis). Einige Universitäten teilen das Studium in Bachelor und Masterstudium, was dem/der Studierenden ermöglicht, bei Studienabbruch in anderen, nicht-ärztlichen Tätigkeiten zu arbeiten.
     
  • Das 11. und 12. Semester ist dem Praktischen Jahr im Krankenhausbetrieb gewidmet. Ein bestandenes Staatsexamen ist Voraussetzung zum Erlangen der Approbation, Bedingung zur Facharztausbildung (Allgemeinmedizin gehört zu den Facharztausbildungen). Der/Die Student/in wird somit Assistenzarzt/ärztin.
     
  • Der/Die Assistent/in muss während seiner Facharztausbildung, die über 4 bis 6 Jahre dauert, einen Kompetenzkatalog ausfüllen und sich an den unterschiedlichen Krankenhäusern für eine Assistenzarztstelle bewerben. Kleinere Häuser ermöglichen es dem Assistenten oder der Assistentin oft nicht, den ganzen Katalog auszufüllen, der/die Assistent/in muss die Arbeitsstelle wechseln, um die nötigen Kompetenzen zu erlangen, bevor er/sie sich für die Facharztprüfung vorstellen kann. Die Inhalte der Kataloge sind länderspezifisch und werden von den jeweiligen Ärztekammern definiert. Eine Doktorarbeit ist nicht zwingend, nicht alle Ärzte/innen sind Doktoren.
     

In Frankreich

In Frankreich wird ein bestandenes Baccalauréat oder äquivalentes ausländisches Diplom gefordert. Die zukünftigen Studierenden formulieren 10 verschiedene Studienwünsche mit Bewerbungsbrief und jeweils 3 Studienorte pro Studienwunsch auf dem Internetportal „parcourssup.fr”. Die Fakultäten erhalten Einsicht in die Noten der zwei letzten Jahre vor dem Baccalauréat. Der/Die zukünftige Studierende erfährt über das Internetportal, welche Fakultäten oder berufsbildenden Schulen seine/ihre Bewerbung angenommen haben, unter der Bedingung, daß er/sie sein/ihr Baccalauréat erhält. 2021 dürfen die Schüler/innen nur noch 3 Wünsche formulieren.

Bevor der/die Studierende jedoch das eigentliche Medizinstudium beginnen kann, muss er/sie die Hürde des PACES (première année commune des études de santé) überspringen. Das PACES bzw. gemeinsames erstes Studienjahr für Mediziner/innen, Zahnmediziner/innen, Apotheker/innen, Hebammen/Geburtshelfer und Physiotherapeuten/innen schließt mit einem, von ministerieller Seite definiertem, Numerus Clausus ab. So werden in Strasburg 2019 z. B. von den ca. 1900 Anwärtern/innen des PACES 247 zum Medizinstudium aufgenommen und 154 zu den anderen Studiengängen (Zahnmediziner/innen, Apotheker/innen, Hebammen/Geburtshelfer und Physiotherapeuten/innen) zugelassen! 2022 soll jedoch das PACES modifiziert werden und ein drei Monate dauerndes Praktikum in Präventivmedizin eingeführt werden. Der Numerus Clausus soll geändert bzw. ggf. abgeschafft werden. Diese Gesetzesvorlage wird im Senat diskutiert.

Bei Zulassung zum Medizinstudium muss der/die Student/in zwischen dem 1. Jahr (PACES) und dem 2. Jahr ein Krankenpflegepraktikum von einem Monat absolvieren. Das Studium ist in drei Zyklen aufgeteilt:

  • Der erste Zyklus oder DFGSM (diplôme de formation générale des sciences médicales) dauert 3 Jahre (inklusive PACES) und ist dem Studium der Grundlagenwissenschaften gewidmet. Zusätzlich sind im 2. und 3. Jahr eine Fremdsprache (Englisch oder Deutsch), ein nicht-medizinisches Fach, der Erste-Hilfe-Kurs sowie Praktika im Krankenhaus und biologisch-klinische Wissenschaften vorgesehen.
     
  • Die folgenden 3 Jahre führen zum DFASM (diplôme de formation approfondie en sciences médicales). Das Studium ist der Pathologie und Klinik sowie den Praktika im Krankenhaus gewidmet. Aktuell schließt das ENC (examen national classant), eine nationale Prüfung, das theoretische Studium ab. Die Studenten/innen wählen ihre Fachrichtung und ihren Studienort nach der besten Note etablierten Rangordnung. 2022 soll der ENC abgeschafft und durch eine ständige Kontrolle des Wissensstandes über die 3 letzten Jahre ersetzt werden.
     
  • Der 3. Zyklus oder „internat”, geht über 3 bis 5 Jahre und ist vergleichbar mit der Assistenzzeit. Das „internat“ ist der Facharztausbildung gewidmet (Allgemeinmedizin gehört zu den Fachausbildungen). Während des „internat“ arbeitet der/die angehende Facharzt/ärztin im Krankenhaus - oder in der Arztpraxis für die Allgemeinmediziner/innen - und erhält ein Gehalt. Der/Die Die „interne“ wählt alle 6 Monate, nach Vorgaben der Referenten für das Studium jeder Region, ein anderes Krankenhaus um seine/ihre Ausbildung in seiner/ihrer Fachrichtung zu vervollständigen. Theoretische fachbezogene Kurse ergänzen die Ausbildung. Das „internat“ wird von der, nach dem ENC von dem/der angehenden „interne“ gewählten, Universität organisiert. Die Krankenhäuser bewerben sich bei der ARS (Agence régionale de santé) um die Erlaubnis zur Ausbildung von „internes“ und geben die Garantie einer adäquaten Ausbildung. Die ARS erteilt die Weiterbildungserlaubnis an die Abteilungen, die sich beworben haben und die Bedingungen zur Ausbildung erfüllen. Das ENC allein ermöglicht es dem/der Studenten/in nicht, eine Stelle als Stellvertreter/in anzunehmen. Die Ärztekammer erteilt die Lizenz zur Vertretung, die es dem/der „interne“ erlaubt, Vertretungen anzunehmen.

Die Verfassung einer Doktorarbeit sowie einer fachspezifischen Dissertation sind obligatorisch zum Abschluss des Studiums und müssen innerhalb von drei Jahren nach dem „internat“ geschrieben werden.

Text: Dr. Claudine Remakel

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