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Frankreich will mit einer Notfall-Toolbox seine Notaufnahmen entlasten

Ein neuer Name für ein nicht ganz so neues Problem: Die „crise des urgences“ (deutsch: Krise der Notaufnahmen) hat das französische Gesundheitssystem fest im Griff. In den Sommermonaten werden nun verschiedene Maßnahmen getestet, die Abhilfe schaffen sollen.

Bild: Frédéric Bisson, lizenziert unter CC BY 2.0, „Panneau survol d’hélicoptère“, bearbeitet von TRISAN

In Frankreich sind die Notaufnahmen vielerorts am Limit: Insbesondere nachts oder an Wochenenden ist die Versorgung von Patient*innen oft nur noch eingeschränkt möglich. Denn: Es fehlt an Personal. Laut der Gewerkschaft Samu-Urgences de France (SUdF), die das Notdienstpersonal vertritt, mussten landesweit bereits mehr als 120 Notaufnahmen aufgrund von Personalmangel schließen oder ihre Aufnahmekapazitäten reduzieren. Die Größe der Einrichtungen spiele dabei keine Rolle: Kleine Krankenhäuser und Universitätskliniken seien gleichermaßen betroffen.

Damit eine „Gesundheitskatastrophe“ im Sommer verhindert werden könne, brauche es einen Notfallplan, warnte die Gewerkschaft im Mai 2022 in einem Brief die damalige Gesundheitsministerin Brigitte Bourguignon. Wenige Tage später beauftragte die Regierung den Gewerkschaftspräsidenten und Notarzt François Braun mit einer einmonatigen „Blitz-Informationsmission“. Ihr Ziel: Maßnahmen identifizieren, um den Zugang zu ungeplanten und/oder medizinisch notwendigen Behandlungen sowie die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten nachhaltig zu verbessern.
 

Symptom einer strukturellen Krise

Die „crise des urgences“ (Krise der Notaufnahmen) ist Ausdruck eines umfassenderen und tiefergehenden Problems des französischen Gesundheitssystems. So erklärte das Büro von Gesundheitsministerin Bourguignon anlässlich Brauns Beauftragung Anfang Juni: „Die Notaufnahmen kumulieren die Schwierigkeiten des Systems an der Schnittstelle zwischen einer stark beanspruchten ambulanten Versorgung und einer stationären Versorgung, die zwei Herausforderungen gegenübersteht: der Stärkung geplanter Behandlungspfade und der komplexen Rückkehr zu einem normalen Betrieb nach der Pandemie.“

Da solche komplexen Probleme ebenso komplexe Lösungen verlangen, hat das von François Braun geleitete Expertenteam ein ganzes Arsenal an Maßnahmen in Form einer Toolbox erarbeitet und am 1. Juli vorgelegt. Sie ist das Ergebnis eines Analyse- und Konsultationsprozesses, an dem auch lokale Gewählte sowie Interessenvertreter*innen Pflegender und Gepflegter beteiligt waren.
 

41 Vorschläge für einen sicheren Sommer

Die Toolbox enthält 41 Vorschläge, mit denen das Gesundheitssystem in den Sommermonaten bestmöglich unterstützt werden soll. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehört etwa eine landesweite Informationskampagne: Mit Radio- und Fernsehspots, Plakaten und Posts in sozialen Netzwerken soll die Bevölkerung für die richtige Nutzung der Notdienste sensibilisiert werden („Gehen Sie nicht direkt in die Notaufnahme, sondern rufen Sie die 15 an!“). Zu den Aufgaben der Notrufnummer 15 gehört, neben dem Senden von Transportmitteln und Notfallteams, Patient*innen an einen Bereitschaftsdienst weiterzuleiten oder ihnen einen einfachen ärztlichen Rat zukommen zu lassen.

Eine landesweite Kampagne will die französische Bevölkerung über die richtige Nutzung der Notdienste aufklären. Der Slogan lautet übersetzt: „Bevor ich in die Notaufnahme gehe, rufe ich die Nummer 15 an, wenn mein Hausarzt nicht erreichbar ist." Bildmaterial: Ministère de la Santé

Weitere Empfehlungen aus Brauns Bericht beziehen sich auf einen verstärkten Einsatz von Telemedizin, eine flexiblere Gestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen oder eine bessere Anerkennung der vom Gesundheitspersonal unternommenen organisatorischen Anstrengungen.

Darüber hinaus sollen die regionalen Akteure (Fachkräfte, Gewählte etc.) die Toolbox flexibel nutzen können, indem sie ihre Reaktion an die lokalen Bedarfe anpassen. Dabei werden sie von der zuständigen Agence régionale de santé beaufsichtigt und von den regionalen Berufsverbänden des Gesundheitspersonals (Unions régionales des professionnels de santé) unterstützt.

Jede Empfehlung verfügt zudem über einen oder mehrere Wirkungsindikatoren, auf deren Basis später über eine Fortführung oder Auslaufen der Maßnahmen aus der Sommer-Toolbox entschieden werden kann.
 

Erneuter Ministerwechsel im Gesundheitsministerium

Wenige Tage nach Abschluss seiner Informationsmission wurde François Braun zum neuen Gesundheitsminister ernannt. Er folgt auf Brigitte Bourguignon, die aufgrund ihrer Niederlage bei den Parlamentswahlen zurücktreten musste. So will es eine Regel, die Emmanuel Macron 2017 eingeführt hat.
 

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