News & Artikel

Zum Thema Rettungsdienste

Wenn der Rettungswagen über die Grenze fährt

In vielen Grenzräumen machen es Rahmenabkommen schon heute möglich, dass sich Leitstellen und/oder Rettungsdienste auch über Ländergrenzen hinweg koordinieren. Aber was steckt genau hinter diesen Kooperationen? Das Euro-Institut in Kehl führt aktuell eine Studie über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich der Rettungsdienste an der Außengrenze Deutschlands durch, die vom Bundesministerium für Gesundheit finanziert wird. Im Gespräch erklärt uns die Studienreferentin Natalia Ansa Held, warum es sinnvoll ist, dass Ressourcen gemeinsam genutzt werden – gerade wenn es um die Notfallrettung geht.

In vielen Grenzräumen in Europa ist es bereits jetzt möglich, dass Rettungsdienste und Feuerwehr jenseits der Landesgrenze zum Einsatz kommen. Warum ist es wichtig, dass die einzelnen Rettungsdienststrukturen zusammen arbeiten?

Viele Grenzräume zeichnen sich dadurch aus, dass die Gegend dort sehr ländlich ist. Die zu beobachtende Landflucht im Allgemeinen führt dazu, dass die medizinische Versorgung in diesen Gebieten reduziert wird. Hinsichtlich des Rettungsdienstes bedeutet dies, dass viel Zeit verloren geht, bis der Rettungsdienst beim Patienten angekommen ist. Diese Zeit ist kostbare Zeit, wenn es darum geht, Leben zu retten. Wenn Rettungsdienste in den Grenzräumen miteinander kooperieren, kann ein Rettungswagen aus dem Ausland in manchen Fällen schneller beim Patienten sein. Im Endeffekt können die vorhandenen Ressourcen gemeinsam effizienter genutzt werden – zum Wohle der Patienten.

Wie kann man sich eine grenzüberschreitende Kooperation im Bereich der Rettungsdienste konkret vorstellen? Dürfen die Rettungswagen tatsächlich über die Grenze fahren?

Bis vor kurzem war es rechtlich noch so, dass Rettungswagen nicht über die Grenze fahren durften. Deshalb war es zum Beispiel im deutsch-französischen Grenzraum noch so, dass die Patienten an der Grenze in den Rettungswagen aus dem Nachbarland umgeladen wurden. In manchen Regionen ist dies noch die Realität, was auf das Territorialprinzip zurückzuführen ist: Nach diesem Prinzip ist man demjenigen Recht unterworfen, auf dessen Territorium man sich befindet. Kooperationsvereinbarungen sind dazu da, diese juristischen Hindernisse aus dem Weg zu räumen und eine Rechtsgrundlage zu schaffen, auf der ein Rettungswagen mit seinem Team über die Grenze fahren, seine Sondersignale verwenden kann, die Kompetenzen der Teammitglieder anerkannt werden und die Teammitglieder versichert sind.

Die tatsächliche Ausgestaltung der Kooperation im Bereich der Rettungsdienste ist zudem stark von der jeweiligen Region abhängig. Es gibt Regionen, in denen sich Rettungsdienstteams von beiden Seiten einer Grenze regelmäßig zu gemeinsamen Übungen treffen wie zum Beispiel im deutsch-tschechischen Grenzraum. Die Übungen verlaufen zum Teil sehr erfolgreich.

In anderen Grenzregionen, existiert zwar eine Kooperationsvereinbarung. Die tatsächliche Zusammenarbeit stagniert jedoch aus verschiedenen Gründen, die sich von Region zu Region nicht allzu sehr unterscheiden. In der Studie soll es auch darum gehen, herauszufinden, woran das tatsächlich liegt, dass die Zusammenarbeit zurückgeht und was dagegen getan werden sollte.

Gibt es bei uns am Oberrhein auch Projekte, bei denen Rettungssanitäter und Notärzte im Team arbeiten?

Ein ganz konkretes Beispiel ist die Zusammenarbeit mit der schweizerischen Luftrettung. Die schweizerische Luftrettung REGA hat einen ihrer Hubschrauber am Flughafen in Basel stationiert. Dieser führt etwa 2/3 seiner Einsätze auf badischem Gebiet durch.

Im deutsch-französischen Grenzraum finden jährlich Rettungsdienstsymposien statt, auf Initiative der Teams der Unfallstationen Kehl, Straßburg und Weißenburg. Die Oberrheinkonferenz unterstützt die Initiative. Bei diesen Veranstaltungen treffen sich an den Rettungsdiensten beteiligte Personen, um sich kennenzulernen, auszutauschen und Fachthemen gemeinsam zu diskutieren, bzw. Arbeitsansätze oder ärztliche Protokolle zu vergleichen. Zu einer erfolgreichen Kooperation gehört ein konstruktiver, regelmäßiger grenzüberschreitender Austausch mit den Kollegen jenseits der Grenze.

Ein weiteres Pilotprojekt ist die langjährige Kooperation zwischen der DRK Südpfalz, der Notfallstation der Kliniken Landau und le service des urgences des Krankenhauses in Weißenburg, bei dem der deutsche Rettungsdienst nachts mit dem französischen Notarzt der Notfallstation bei deutschen Notrufen zum Einsatz kommt. In diesem Fall arbeitet ein deutsch-französisches Team zusammen, um gemeinsam Leben zu retten!

In vielen Grenzregionen gibt es nicht nur Sprachbarrieren, die Rettungsdienste sind zum Teil sehr unterschiedlich organisiert und in einer Leitstelle sind die Aufgaben zwischen den Rettungssanitätern und Notärzten nicht immer die gleichen. Was sind die größten Herausforderungen, wenn Rettungsdienste grenzüberschreitend kooperieren und wie können diese überwunden werden?

Sprache ist definitiv ein Hindernis. Die Teams müssen miteinander kommunizieren können und der Pflegende muss mit dem Verletzten kommunizieren können. In einigen Grenzräumen wurden für die Überwindung der Sprachbarriere zwischen Rettungsteams teilweise sehr kreative Ansätze gefunden: Es werden in vielen Grenzräumen zweisprachige, standardisierte Faxbriefe benutzt, wo jeder nur ankreuzen braucht, was bis jetzt gemacht worden ist, was der Zustand des Patienten ist. Dies setzt aber voraus, dass im Vorfeld ein ausführlicher Austausch über Behandlungsprotokolle des jeweiligen Rettungsteams und eine Abstimmung untereinander stattfindet. Aber moderner ist es, wenn der Disponent in der Leitstelle die Wörter in der Fremdsprache so aufgeschrieben sieht, wie sie in der Nachbarsprache ausgesprochen werden, um so mit dem Anruf aus dem Nachbarland zurecht zu kommen. An der deutsch Tschechischen Grenze gibt es Projekte, die arbeiten mit Piktogrammen um sich zu verständigen.

Die bisherige Erfahrung hat gezeigt, dass je mehr Kontakte und Kenntnisse über das System des Nachbarn vorhanden sind, desto mehr Kooperationsmotivation vorhanden ist. Der deutsch-tschechische Grenzraum wendet dieses Prinzip in einigen Gebieten vorbildlich an. Die dort stattfindenden gemeinsamen Übungen sind ein sehr gutes Vorbild für gelungene Kooperation. Dort wird erprobt, wie man am besten kooperiert und gemeinsam erarbeitet, wie man manche Dinge noch weiter verbessern kann.

Und gerade eine noch im Kopf vorhandene Grenze kann man durch funktionierende Kooperation schrittweise beseitigen.

Welche Etappen sind in dem Projekt in den kommenden zwei Jahren geplant?

Zunächst geht es darum die vorhandene Gesetzeslage in den jeweiligen Bundesländern zu analysieren. Der Rettungsdienst fällt in die Kompetenz der Länder und jedes Land hat dementsprechend sein eigenes Rettungsdienstgesetz. Nicht überall gibt es nähere Bestimmungen zur Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Kooperation.

In einem weiteren Schritt werden die Rahmenabkommen zwischen Deutschland und seinen Nachbarländern analysiert, soweit diese vorhanden sind. Auf dieser Basis werden Kooperationsvereinbarungen nämlich getroffen. Die Studie hat zum Ziel, eine Bestandaufnahme der Kooperationsvereinbarungen und –projekte zu erstellen. Aus der Analyse der bereits bestehenden Kooperationsprojekte sollen am Ende Best Practices ermittelt werden, die im Idealfall Impulse für weitere Projekte geben sollen.

Im Sinne des grenzüberschreitenden Austausches zwischen Kollegen der Rettungsdienste ist im Frühjahr 2018 zudem eine Veranstaltung im deutsch-polnischen Grenzraum geplant.

Danke, Frau Ansa Held, dass Sie sich Zeit für dieses Gespräch genommen haben. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Arbeit und freuen uns schon, über die deutsch-polnische Rettungsakademie im Frühjahr 2018 zu berichten.

Zurück