News & Artikel

Zum Thema Ausbildung des Gesundheitspersonals

Pflegeausbildung in Europa: Gemeinsame Standards, aber große Unterschiede in der Praxis

Wer als Gesundheits- und Krankenpfleger nach abgeschlossener Ausbildung in einem anderen europäischen Land seinen Beruf ausüben möchte, hat gute Karten:  So wird ein Diplom, das in Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) oder auch in der Schweiz erworben wurde, in allen europäischen Ländern auf Antrag anerkannt [1]. Auch wenn sich Mitglieds- bzw. Vertragsstaaten auf bestimmte Mindestanforderungen an die Ausbildung geeinigt haben, gibt es jedoch europaweit weiterhin große Unterschiede in der Ausbildung und im Berufsalltag der Pflegefachkräfte.
 

Deutschland: Praxiserfahrung an oberster Stelle

Wer in Deutschland eine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger bzw. zur Gesundheits- und Krankenpflegerin [2] durchlaufen möchte, muss in der Regel über einen mittleren Bildungsabschluss verfügen, d.h. eine mindestens 10-jährige Schulbildung vorweisen. Alternativ ist es auch möglich, die Ausbildung mit einem Hauptschulabschluss und einer einjährigen Ausbildung zum Krankenpflegehelfer/ zur Krankenpflegehelferin aufzunehmen. Damit hat Deutschland neben Luxemburg und Österreich die niedrigsten Zugangsvoraussetzungen zur Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege [3], was sich auch auf den Praxisanteil in der dreijährigen Ausbildung auswirkt. So überwiegt dieser mit 2.500 Praxisstunden vor dem Theorieteil, der mit 2.100 Stunden im Ausbildungsplan angesetzt ist. Im Vergleich zu französischen Studierenden in der Pflege dürfen sich Auszubildende in Deutschland außerdem einer relativ großzügigen Ausbildungsvergütung von etwas mehr als 1.000 Euro brutto im Monat erfreuen, die sie für den Praxiseinsatz ab dem ersten Ausbildungsjahr erhalten.

Das Krankenpflegegesetz (KrPflG) verpflichtet die Ausbildungsträger zur Zahlung der Ausbildungsvergütung und bildet die rechtliche Grundlage für die Ausbildung und die Ausübung der Berufe in der Krankenpflege. Dabei unterscheidet das KrPflG zwischen Verantwortungsbereichen, die eigenständig und Verantwortungsbereichen, die im Rahmen der Mitwirkung vom/ von der Krankenpfleger/in auszuführen sind, lässt jedoch bei der Zuordnung der Aufgaben einen gewissen Entscheidungsspielraum zu. Aufgaben, die von den Gesundheits- und Krankenpfleger/innen eigenverantwortlich verrichtet werden, sind zum Beispiel Grundpflegetätigkeiten im Bereich der Körperpflege, Ernährung, Mobilität und der hauswirtschaftlichen Versorgung. Zu den Aufgaben, die im Rahmen der Mitwirkung erledigt werden,  gehören unter anderem Aufgaben, die auf ärztliche Veranlassung vom/von der Krankenpfleger/in eigenständig durchgeführt werden. Darunter fallen unter anderem auch Aufgaben der Behandlungspflege wie  zum Beispiel Blutabnahmen. 
 

Frankreich: Klare Rollen und Verantwortungsbereiche

Um eine Ausbildung zum Krankenpfleger bzw. zur Krankenpflegerin zu beginnen, ist in Frankreich das französische Abitur erforderlich, das nach einer zwölfjährigen Schullaufbahn erworben wird. Wer dieses Kriterium nicht erfüllt und mindestens drei Jahre Berufserfahrung im Gesundheits- oder Sozialbereich (zum Beispiel als Krankenpflegehelfer/in) mitbringt, ist überdies berechtigt, an einem Auswahlverfahren teilzunehmen („concours“), das über die Aufnahme in ein Institut de Formation en Soins Infirmiers („IFSI“) entscheidet. Die dreijährige Ausbildung für die Pflegefachkraft Infirmier (m.)/ Infirmière (w.) schließt mit dem Diplôme d’État d‘Infirmier ab, das seit 2009 gleichwertig ist mit einem Bachelorabschluss.

In jedem Semester absolvieren die Studenten neben dem theoretischen Unterricht Praktika in Krankenhäusern, wobei die Theorie in den ersten Semestern einen größeren Anteil in den Lehrplänen einnimmt und der Praxisanteil mit jedem Semester zunimmt. Auf die gesamte Ausbildungsdauer verteilt ist jedoch das Verhältnis von Praxis und Theorie ausgeglichen, da exakt die Hälfte der Lerneinheiten (2.100 Stunden) dem Erwerb von Berufspraxis gewidmet ist. Die Studierenden erhalten für jede Praktikumswoche eine Aufwandsentschädigung ausgezahlt, die nach dem Studienfortschritt gestaffelt ist und im ersten Lehrjahr beispielsweise 23 Euro beträgt. Die genauen Regeln für die Berufsausübung werden in Frankreich durch den Code de la Santé publique („CSP“) definiert. Dieser Gesetzestext umfasst eine detaillierte Auflistung an Tätigkeiten, anhand derer genau bestimmt werden kann, welche Tätigkeiten eigenverantwortlich, auf ärztliche Anweisung hin vom/ von der Infirmier/ Infirmière eigenständig durchgeführt werden und bei welchen Tätigkeiten ein Arzt theoretisch jederzeit eingriffsbereit sein sollte.

In der Praxis und in der Krankenhauspflege ist die Pflegefachkraft (infirmier/ infirmière) vor allem für die medizinische Pflege zuständig und übernimmt deutlich seltener körpernahe Pflegetätigkeiten  als zum Beispiel Krankenpfleger/innen in Deutschland, da diese Aufgabenbereiche in der Regel an die sogenannte aide-soignant (Pflegehilfe) delegiert werden.
 

Schweiz: Akademische Bildungsgänge ergänzen post-sekundäre Berufsbildungsgänge

In der Schweiz gibt es verschiedene Bildungsgänge in der Pflege. Hinsichtlich des formalen Abschlusses ist der „Bachelor Pflegefachmann/frau“ vergleichbar mit dem französischen Bildungsgang Diplôme d’État d‘Infirmier, der ebenfalls im tertiären Bildungsbereich angesiedelt ist. Insofern wird als Zugangsvoraussetzung in der Regel eine (Berufs-)Maturität in einem mit dem Bereich Gesundheit verwandten Bereich verlangt. Wenn die Maturität in einem gesundheitsfremden Bereich erlangt wurde, ist es dennoch möglich zum Bachelor-Studium zugelassen zu werden unter der Voraussetzung, dass Zusatzmodule vor Aufnahme des Studiums absolviert werden, die einem Jahr Arbeitswelterfahrung im Bereich Gesundheit entsprechen.

Im Studiengang „Bachelor Pflegefachmann/frau“ liegt das Verhältnis von Theorie zur Praxis bei 70 zu 30 %, wobei das Absolvieren von sechs Praktika im Umfang von sechs bis acht Wochen obligatorisch ist. Aufgrund seiner akademischen Bildung verfügt der Bachelor Pflegefachmann/frau über ein tiefergehendes Wissen und wissenschaftliche Methoden und ist somit befähigt, Leitungsaufgaben zu übernehmen, neue Pflegekonzepte zu entwickeln oder an Forschungsprojekten mitzuarbeiten. Als Vergütung für die Praxisphasen im Studium erhalten die Studierenden des Bachelorstudiengangs eine jährliche Zahlung von etwa 4.800 CHF.

Als Alternative zum Bachelorstudium ist es auch möglich, den Bildungsgang „Diplomierter Pflegefachmann/frau“ an einer Höheren Fachschule zu absolvieren. Dieser erfordert mindestens einen Fachmittelabschluss bzw. eine abgeschlossene Berufslehre. Wesentlich für den Bildungsgang „Pflegefachmann/frau“ ist der duale Charakter des Studiums, das theoretische und praktische Elemente verbindet. So entfallen im Bildungsgang „Diplomierter Pflegefachmann/frau“ 60% des Studiums auf die Theorie und 40% auf die praktische Bildung. Die Lernenden des Bildungsgangs „Diplomierter Pflegefachmann/frau“ profitieren von einer Vergütung von rund 13.000 CHF pro Lehrjahr.

Unterstützt werden die Pflegefachkräfte mit akademischer Ausbildung von der Fachfrau/ dem Fachmann Gesundheit (FaGe), in deren Verantwortungsbereich die Grundpflege und Behandlungspflege fällt sowie dem/ der Assistent/in Gesundheit und Soziales, der/ die einfachere Pflegeaufgaben übernimmt. Wer eine Ausbildung für eines der beiden eben genannten Berufsprofile durchläuft, erwirbt mehr Berufspraxis als in den akademisch geprägten Bildungsgängen. So werden ein bis zwei Tage in der Woche in einer Berufsfachschule und etwas mehr als 10 Tage pro Ausbildungsjahr im Rahmen von überbetrieblichen Kursen abgeleistet. Die Ausbildungsvergütung der FaGe-Lernenden beträgt 800-1400 CHF monatlich, die Vergütung der Assistent/in Gesundheit und Soziales in Ausbildung liegt bei 600-900 CHF monatlich.

In der Schweiz ähnlich wie in Deutschland sind Tätigkeiten und Verantwortungsbereiche für die unterschiedlichen Bildungsgänge nicht genau abgesteckt. Welche Funktion die einzelnen Pflegefachkräfte tatsächlich im Krankenhausbetrieb übernehmen, hängt insofern stark von der Struktur und Personalstammzusammensetzung der Einrichtungen und Stationen ab.

Ein paar Wochen den Krankenhausalltag in einem anderen Land mitzuerleben, ist für viele Auszubildende bzw. Studierende in der Pflege eine große Bereicherung. Lesen Sie hier die Erfahrungsberichte von zwei Auszubildenden aus der Schweiz und einer Studentin aus Frankreich, die im Rahmen des Euregio-Zertifikates vier Wochen im Basler Altenzentrum Bethesda gearbeitet haben!

Wenn Sie mehr über die Bildungsgänge in der Pflege erfahren möchten, lesen Sie hier die von der deutsch-französisch-schweizerischen Oberrheinkonferenz und dem Euro-Institut veröffentlichte Studie zum Fachkräftemangel im Gesundheitswesen am Oberrhein.


[1] Grundlage dafür stellt die Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen dar, die für den Beruf des Gesundheits- und Krankenpflegers festgelegt hat, dass die im EWR erworbenen Berufsqualifikationen auf Antrag ohne Prüfung der individuellen Ausbildungsinhalte automatisch anerkannt werden. Im Falle der Schweiz ist die Anerkennung von Berufsqualifikationen seit Juni 2002 über das ‘Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit’ gewährleistet.

[2] Das geplante Pflegeberufereformgesetz sieht vor, ab 2019 die bisherigen drei Ausbildungen in der Altenpflege, der Gesundheits- und Krankenpflege sowie der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege zu einer neuen und generalistisch ausgerichteten beruflichen Pflegeausbildung mit einem einheitlichen Berufsabschluss zusammenzuführen.

[3] Seit einigen Jahren wird in Deutschland viel darüber diskutiert, die Pflegeausbildung zu akademisieren und es sind in einigen Bundesländern Modellstudiengänge im Bereich Pflege entwickelt worden, die zumeist an einer Fachhochschule angesiedelt sind. Pflegefachkräfte mit einem akademischen Abschluss sind jedoch bis jetzt eine Seltenheit.

Zurück